Elternkonsens. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Schutz der Kinder in Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten
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Am 13.06.2013 lud der Frankfurter Kreisverein des Väteraubruch für Kinder e.V. zu einer Fortbildungsveranstaltung für die Trennung- und Scheidungen beteleigten Professionen ein.
Das Hessische Sozialministerium unterstützte die Veranstaltung: Die Staatssekretärin Frau Müller-Klepper überbrachte im Namen des HSM ein Grußwort. Außerdem nahm der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag Herr Dr. Bartelt teil.
(Grußwort der Staatssekretärin Frau Müller-KLepper)
Referenten waren Herr Rechtsanwalt, Richter a. D. Jürgen Rudolph und Frau Dipl. - Psych. Ursula Kodjoe.
Zum Hintergrund: In Deutschland verlieren je nach Statistik 20.000 bis 80.000 Kinder den Kontakt zu einem ihrer Eltern durch Trennung und Scheidung (Bezug Proksch, Roland: "Begleitforschung zur Umsetzung des Kindschaftsrechts" (2002); aufgrund der Zunahme von Trennungen und Scheidungen Tendenz steigend.)
In der Praxis ist es immer dann schwierig, wenn trennende Eltern nicht aus sich selbst heraus fähig sind, sich zum Wohl der gemeinsamen Kinder einigen zu können. Häufig ist es ein Elternteil, der jegliche Kooperation verweigert und damit verhindert, dass der andere Elternteil seine elterliche Verantwortung übernehmen kann. Ressentiments gegenüber dem ehemaligen Liebespartner, finanzielle und andere egozentrische Interessen sowie psychische Störungen können Ursachen für diese Art der Verweigerung und Ausgrenzung sein. In diesen Fällen sind zum Schutz und Wohl der Kinder behördliche Eingriffe notwendig.
In Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ist es für die verschiedenen Verfahrensbeteiligten (Eltern, Gericht, Jugendamt, Rechtsanwälte, Verfahrenspfleger, Gutachter, Gerichtsbeistände) häufig sehr schwierig, die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder im Blick zu behalten. Oft findet sich keine Lösung, mit der schwerwiegende negative Folgen für die psychische Entwicklung der betroffenen Kinder verhindert werden.
Das in Frankfurt vereinzelt praktizierte „Frankfurter Kooperationsmodell“ erreicht laut einer Evaluationsstudie der UNI Frankfurt einen Großteil der betroffenen Kinder nicht. In einer Sitzung des „Steuerungsteams FraKom“ (Jugendamt, Gericht, Beratungsstellen) mit den Betroffenenverbänden (VAMV e.V., Frauen helfen Frauen e.V., VAfK e.V.) wurde zudem von der Seite des Steuerungsteams festgestellt, dass das Modell für die sogenannten hochstrittigen Fälle ungeeignet ist. Die Kinder in letzteren sind jedoch diejenigen, deren Wohl am meisten gefährdet ist.
Dieses Problem wird seit mehr als 20 Jahren im Gerichtsbezirk Cochem dadurch erfolgreich gelöst, dass ein Beratungskonzept praktiziert wird, nach dem alle Beteiligten mit dem Ziel, dass Eltern ihre elterliche Verantwortung auch nach Trennung und Scheidung übernehmen bzw. wieder übernehmen können, zusammenarbeiten. Ein Nebeneffekt dieser Praxis ist auch, dass durch wesentlich weniger Anhörungen, Gutachten und jahrelang neue Klageverfahren zerstrittener Eltern eine Zeit- und Kostenersparnis in den Gerichtsverfahren eintritt.
Bei der o.g. Tagung wurde begonnen, zu erarbeiten, wie ein solches Beratungskonzept unter den strukturellen Gegebenheiten der Stadt Frankfurt gestaltet werden kann. Anwesend waren insgesamt 34 Gäste aus der Richter- und Anwaltschaft, dem Jugendamt, von Beratungsinstitutionen und aus der Verfahrensbeistandschaft. Außerdem nahmen eine Vertreterin des Genderreferates der Stadt und ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes teil.
Es gab viele positive Rückmeldungen und von vielen Seiten wurde die Notwendigkeit betont, diese Iniative in Frankfurt in die Praxis umzusetzen. Am Ende der Tagung bildete sich ein Arbeitskreis der sich dieser Aufgabe widmet.
Im Arbeitskreis vertreten sind derzeit die Berufsgruppen RichterInnen, RechtsanwältInnen, BeraterInnen, MediatorInnen, GutachterInnen und PsychotherapeutInnen. Der Arbeitskreis "Elternkonsens" tagt jeden ersten Montag im Monat 19:00 - 20:30 Uhr. Keine Sitzungen im April und Mai. Nächster Termin ist: 6. Juni 2016, Anmeldung unter andreas.pfeiffer@vafk.de
Dipl.-Psych. Andreas Pfeiffer
Psychoanalytiker (DPV, IPV)
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Grußwort der Staatssekretärin Frau Müller-Klepper
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
lieber Herr Dr. Bartelt,
sehr geehrte Frau Kodjoe,
sehr geehrter Herr Rudolph,
sehr geehrte Damen und Herren,
„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ – diesen beliebten Ausspruch kennen Sie sicher. Er wird häufig zur Beschreibung von Verteilungskonflikten herangezogen. Es gibt aber viele Situationen, in denen Dritte Leidtragende eines Konflikts sind. Ein offensichtliches und extremes Beispiel dafür sind Kriege, bei denen die Bevölkerung meist stark und häufig hilflos den gewalttätigen Auseinandersetzungen ausgesetzt ist. Kriege im übertragenen Sinne gibt es auch noch hier in der seit über 60 Jahren friedlichen Europäischen Union: Rosenkriege. Auch diese gehen mit starken Beeinträchtigungen für die Beteiligten und ihr Umfeld einher. Auch hier wird zumindest psychologische Gewalt angewendet.
Konflikte zwischen den Eltern können die Kinder der streitenden Partner erheblich belasten. Vielen Paaren gelingen eine Trennung und die Übernahme von Verantwortung für ihr gemeinsames Kind relativ gut. Andere Paare tragen ihre Konflikte offen aus, geraten in eine Eskalationsspirale oder tragen ihren Konflikt auf dem Rücken der Kinder aus. Dies hat schwerwiegende Folgen für das Kind. Vor allem psychische Störungen sind hier eine häufige Konsequenz.
Väteraufbruch für Kinder e. V. widmet sich Paaren, die sich trennen, und deren Kindern. Der Verein unterstützt die Aufrechterhaltung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen nach deren Trennung, bietet Beratung und die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Sie können in diesem Jahr ein Jubiläum feiern. Väteraufbruch besteht seit nunmehr 25 Jahren! Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank für Ihr Engagement.
Väteraufbruch ist entstanden, weil die Trennungen und Scheidungen zugenommen haben. Eine Studie aus dem Jahr 2002 hat festgestellt, das mindestens 20.000 Kinder pro Jahr als Folge von Trennung und Scheidung einen Elternteil verlieren. In Ihrem Verein setzen sich engagierte Väter dafür ein, dass dies nicht passiert, sondern beide Eltern den Kindern erhalt bleiben. Väteraufbruch zählt mit etwa fünfzig im Bundesgebiet verteilten Gruppen und Kontaktstellen und über 3.000 Mitgliedern, wovon nur 10 Prozent weiblich sind, zu den größten Väterinitiativen in Deutschland.
Der Verein Väteraufbruch für Kinder macht schon in seinem Namen darauf aufmerksam, dass es häufig nach einer Trennung die Mutter ist, bei der das Kind bleibt, und viele Väter den Kontakt zu ihren Kindern verlieren. Er nimmt die Rolle des Vaters für das Kind in den Blick. Durch sein Engagement hat der Verein Impulse für Veränderungen gegeben. Auf die Rolle von Vätern und die Vater-Kind-Beziehung wurden durch öffentlichkeitswirksame Aktionen und durch die Interessenvertretung gegenüber politisch Verantwortlichen aufmerksam gemacht. Durch die Beteiligung an Fachdiskussionen und in Netzwerken haben Sie, sehr geehrte Mitglieder von Väteraufbruch für Kinder, zur inhaltlichen und konstruktiven Weiterentwicklung der Debatten insbesondere im Familienrecht beigetragen. Fachlich haben Sie die Themen „Rechte unverheirateter Väter“ und „paritätische Doppelresidenz“ beleuchtet und wissenschaftliche Erkenntnisse dargelegt. Involviert sind Sie auch in die aktuelle Reform des Sorgerechts. In Frankfurt und überregional haben Sie die Entwicklung von familienpolitischen Themen nicht nur kritisch begleitet, sondern entscheidend voran gebracht.
Manche der Beiträge von Väteraufbruch für Kinder wurden kontrovers diskutiert. Als Beispiel möchte ich hier Ihren Vorschlag der Einbeziehung eines Kooperationsmanagers in strittigen Sorgerechtsverfahren nennen. Für die fachliche Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gibt der Verein wichtige Impulse. Indem der Verein Argumente aus der Lebenswelt von Vätern und deren Sicht in die Diskussion einbringt, übernimmt er eine wichtige Rolle und Funktion für die Gesellschaft und Politik. Dies leistet er nicht zuletzt durch die von Organisation von Fachveranstaltungen wie den Familienkongress oder den Väterkongress.
Vätern Hilfe zur Selbsthilfe geben – das ist Ihr Anliegen. Das ist großartig. Dass Männer miteinander über private Herausforderungen sprechen, Hilfe suchen und annehmen, ist in unserer Gesellschaft leider bis heute nicht selbstverständlich. Männer müssen stark sein und dürfen sich keine Gefühle anmerken lassen – dieses Erziehungsmodell ist weit verbreitet gewesen und ich habe die Hoffnung, dass es in Zukunft als überholt angesehen werden wird. Bei dem thematischen Bereich, in dem Väteraufbruch für Kinder aktiv ist, geht es zwangsläufig um Gefühle. Beispielsweise um Gefühle von Trauer, Hilflosigkeit, Wut oder Versagen. Denn eine Trennung vom Partner ist ein tiefer Einschnitt und muss bewältigt werden. Eine Trennung vom eigenen Kind ist noch schwerer, denn das Kind ist ein Teil von einem selbst.
Auch der Hessischen Landesregierung ist die Stärkung der öffentlichen Wahrnehmung der Vaterrolle eine wichtige Angelegenheit. Am 28. September wird der erste Hessische Vätertag unter der Federführung der hessenstiftung familie hat zukunft stattfinden. Gemeinsam mit Vätergruppen, Kindertageseinrichtungen, Familienzentren und Elterninitiativen, Bibliotheken und Schulen, Mehrgenerationenhäusern und Altersheimen soll eine Tradition begründet werden, die jedes Jahr unter einem eigenen Leitmotiv die Bedeutung aktiver und moderner Vaterschaft hervorhebt. In diesem Jahr sind „Vätergeschichten“, in denen Väterlichkeit als Wert für sich zum Ausdruck kommt, das Thema. Der Hessische Vätertag wird nicht als zentrale Veranstaltung geplant, sondern als Aktionstag, der in verschiedenen Städten und Gemeinden mit unterschiedlichen Aktivitäten durchgeführt wird. Wenn Sie, sehr geehrte Mitglieder von Väteraufbruch für Kinder, sich am Aktionstag beteiligen wollen, kontaktieren Sie die hessenstiftung familie hat zukunft. Mit dem Hessischen Vätertag soll die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Wandel der Väterrolle gerichtet werden.
Das Wohl jedes Kindes ist der Hessischen Landesregierung eine Herzensangelegenheit. Ich freue mich, dass das Kindeswohl im Zentrum der heutigen Fachtagung steht. Der Weg zur Wahrung des Kindeswohls in strittigen familiengerichtlichen Verfahren und in deren Vorfeld ist ein immerwährender Prozess. Es ist gut und wichtig, dass es Interessen von und Interessenvertreter für Väter sowie Mütter gibt. Entscheidend ist es, gute und tragfähige Lösungen für Kinder zu finden. Das Kind muss im Mittelpunkt stehen. Ohne Zweifel, ohne Kompromisse. Die Interessen und Verletzungen der Eltern sollten hinter dem Wohl des Kindes zurückstehen.
Sorgerecht bedeutet, dass das Kind das Recht hat, umsorgt zu werden. Für Väter und Mütter heißt das, dass sie das Recht und die Pflicht haben, Verantwortung zu übernehmen und den Kindern sehr gute Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung zu geben.
Die neuen Regelungen des familiengerichtlichen Verfahrens nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das FamFG, verlangen von den Familiengerichten eine grundsätzliche Umstellung auf eine prozesshafte Arbeitsweise. Neu an den Verfahrensregeln ist eine frühe staatliche Intervention, die eine enge Kooperation von Jugendamt und Familiengericht erfordert. Viele sprachen nach der Einführung von einem „Kulturschock für das Familiengericht“. Die Fachkräfte der Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter sind nun im Familiengerichtsverfahren Verhandlungspartner auf Augenhöhe. Dazu gehört auch eine aktive Einmischung in Sach- und Verfahrensfragen für die Sache des Kindes. Dies bedeutet eine verstärkte Übernahme von Verantwortung durch alle Beteiligten. Bei der Gesetzesformulierung sind viele Anteile aus dem Cochemer Modell eingeflossen. Darauf können Sie stolz sein.
Die heutige Veranstaltung stellt eine wichtige Plattform dar, auf der Perspektiven vorgestellt und diskutiert werden, wie das Kindeswohl auch in hochstrittigen Verfahren gewahrt und gefördert werden kann. Ich würde mich freuen, wenn das Vorhaben gelingt, ein erweitertes Konzept zu entwickeln, das erfolgbringend auf dem guten Ansatz des Frankfurter Modellvorhabens FraKom aufbaut. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen und Professionen ist der beste Weg, um das Kindeswohl zu wahren. Nebenbei werden dadurch die Verfahren erheblich verkürzt.
Ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf, und Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, für den heutigen Tag informative Beiträge, konstruktives Arbeiten und zielorientierte Diskussionen sowie erfüllende Begegnungen. Ihnen allen alles Gute und Gottes Segen!